Geschichten vom Runden Berg

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Durch gelegentliche prähistorische, römische und frühmittelalterliche Funde war schon im 19. Jahrhundert bekannt, dass der Runde Berg seit der frühen Bronzezeit besiedelt war. Die vielfältige und reichen Funde sowie die Forschungen des Uracher Privatgelehrten Helmut Burkert (1900-1984), gaben den Anstoß, dass bei der Heidelberger Akadamie der Wissenschaften durch Profssor Vladimir Milojcic (1918-1978) eine Kommission für die Erforschung alemannischer Altertumskunde gegründet wurde. Die Kommission nimmt sich seit 1967 insbesondere der Erforschung des Runden Bergs an, mit dem Ziel, etwas Licht in die frühalemannische Besiedlung des Berges, ja in die Siedlungs- und Lebensgewohnheiten der Alemannen ganz allgemein zu bringen. Sie veranlasste ab 1967 archäologische Ausgrabungen auf dem Plateau des Runden Bergs, die aus finanziellen Gründen 1984 eingestellt wurden. Die Auswertung der Grabungen haben aber doch ein ungefähres Bild von der Besiedlung des Berges gebracht. Die ältesten Funde stammen aus dem 16. Jahrhundert v.Chr. der ausklingenden frühen Bronzezeit. Schon zu dieser Zeit war das ganze Hochplateau besiedelt. Rund 200 Jahre später bricht diese erste sicher nachgewiesene Besiedlungsphase aus noch nicht bekannten Gründen ab. Mehr als 300 Jahre sollte es dauern, bis sich etwa um 1100 v.Chr. in der späten Bronzezeit (Urnenfelderzeit), erneut Siedler auf den Runden Berg niederließen. Nach den Funden zu urteilen, war das Plateau dicht besiedelt und auch von höhergestellten oder zumindest reichen Persönlichkeiten bewohnt. Zur Siedlungsgemeinschaft gehörten auch hochspezialisierte Handwerker und Händler. Auch das Ende dieser Besiedlungsphase um 750 v.Chr. liegt im Dunkel. Vermutlich zwangen kriegerische Ereignisse die Bewohner zur Aufgabe ihres Siedlungsplatzes.

Die nächsten Siedler, die sich wieder rund zwei Jahrhunderte später, um 550 v.Chr. (Hallstattzeit) nachweisen lassen, sind nun schon dem Namen nach bekannt: Kelten. Sie verlassen den Berg um 400 v.Chr., am Ende der frühen Eisenzeit, zu einer Zeit, als die Kelten aus unserem Raum ihre große Wanderung nach Süden begannen. Vermutlich kehrte eine kleine Gemeinschaft von Kelten später aus dem heutigen Italien und aus der Türkei zurück und besiedelten im 2. Jahrhundert v.Chr. (Latènezeit) den Runden Berg wieder. Es war die Zeit, in der die Kelten ihre „Oppida“ als politische und religiöse Mittelpunkte, als Handelszentrum bauten. Ein solches Oppidum entstand damals nordöstlich der heutigen Stadt Bad Urach, im Bereich der Gemeinden Hülben und Grabenstetten. Der Ort dieser befestigten Keltensiedlung heißt heute „Heidengraben“. Mit einer Ausdehnung von 1662 Hektar ist dieses Oppidum das flächenmäßig größte in Mitteleuropa. Die Kelten-Siedlung auf dem Runden Berg war dagegen wohl nicht sehr groß. Sicher aber war sie zum Heidengraben hin orientiert. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass die Bewohner des Runden Bergs zusammen mit den „Städtern“ vom Heidengraben um 58 v.Chr. ihre Heimat verließen. Sie schlossen sich vermutlich der Auswanderungsbegegnung der keltischen Helvetier an. Um die Mitte des 1. Jahrhunderts besetzten due Römer auch große Teile der Schwäbischen Alb. Spuren dieser römischen Besetzung finden sich in der Umgebung von Bad Urach, z.B. in Metzingen, Römerstein-Donnstetten und Gomadingen. Dass auf dem Runden Berg in der Römerzeit Menschen lebten, beweisen Funde zwar eindeutigen, die Siedlung kann aber nicht bedeutend gewesen sein. Ab 233 n.Chr. machen in den Grenzbereichen die Alemannen den Römern das Leben schwer. Dieser lockere Stammesverband hatte sich erst kurz zuvor im inneren Germaniens gebildet. Sein Kern waren Sueben (=Schwaben). Sie kamen aus dem Saalegebiet und aus dem Gebiet zwischen der unteren Elbe und dem heutigen Mecklenburg. Um 260 n.Chr. konnten die Römer dem Ansturm der Alemannen nicht mehr standhalten. Sie gaben den Alb-Limes auf und zogen sich hinter Rhein und Donau zurück. Auf dem Runden Berg, und zwar auf dem Plateau und an den Hängen, siedelten sich nun alemannische Krieger mit ihren Sklaven an. Sie erbauten auch die erste nachweisbare Befestigung. Innerhalb dieses befriedenden Bezirks ließen sich auch zahlreiche Handwerker nieder. Sie verarbeiten Eisen, Bronze, Blei, Geweihe und Gagat. Die alemannischen Bewohner des Runden Bergs scheinen wohlhabend gewesen zu sein. Die Funde lassen auf gute Ausstattung ihrer Wohnungen schließen. Hundert Jahre später, in der Völkerwanderungs- und frühen Merowingerzeit, wurde die befestigte frühalemannische Siedlung abgerissen, alsbald aber wieder aufgebaut – allerdings ohne Befestigungsanlagen. Kriegerische Ereignisse können nicht der Grund für diese Maßnahme gewesen sein. Die Wissenschaftler nehmen an, dass ein alemannischer Elder beschlossen hatte, sich hier mit seiner Gefolgschaft niederzulassen: Der Runde Berg wurde zum alemannischen Adelssitz. Der Herr vom Runden Berg war das, was die Römer einen „regukus“ nannten, einen alemannischen Kleinkönig. An seinem Herrschaftssitz hoch über dem Ermstal arbeiteten Gold- und Silberschmiede, Bronzegießer, Schmiede und Holzarbeiter. Die Funde lassen darauf schließen, dass der alemannische Adelige geradezu luxuriös lebte. Vermutlich bereiteten die Franken dem feudalen Leben der Alemannen ein Ende. Die Franken hatten nach langem, zähen Ringen in der Schlacht bei Zülpich unweit von Aachen 496/97 n.Chr. unter ihrem König Chlodwig die Alemannen bezwungen. In dieser Schlacht fielen auch viele alemannische Adelige. Die besiegten Alemannen mussten den nördlichen Teil ihres Herrschaftsgebiets an die Franken abtreten und sich unter die Herrschaft der fränkischen Krone schicken. Alemannien wurde Teil des fränkischen Reichs. Die Franken eroberten auch den Adelssitz auf dem Runden Berg. Brandspuren, verbogene und zerbrochene Lanzenspitzen, Teile von Schwertscheiden zeugen von der Eroberung und Zerstörung.

Rund 150 Jahre später, um die Mitte des 7. Jahrhunderts, in der Späten Merowingerzeit, erbaute sich auf dem Runden Berg erneut ein alemannischer Adeliger einen festen Sitz. Der namentliche nicht bekannte „Herr vom Runden Berg“ muss wohlhabend und sehr einflussreich gewesen sein. Vermutlich gehörte er zum Beraterstab des Alemannen-Herzogs. Sicher war er auch mit militärischen Aufgaben betraut. Aus dem Palast des „Herrn vom Runden Berg“, den Frauengemächern, der Küche und den Pferdeställen gruben die Archäologen Gläser und Schmuck, Messer und Gabel, Sporen und Hufeisen sowie Werkzeuge aus. Zierformen belegen für jene Zeit das Nebeneinander von Christentum und heidnischem Glauben. Kurz nach 746 kam das Ende des spätmerowingischen Adelssitzes. Er wurde zerstört. Ausgelöst wurde diese Zerstörung durch ein Ereignis, das zur endgültigen Unterwerfung der Alemannen durch die Franken führte, durch den sogenannten Gerichtstag von Cannstatt (746). Die Karolinger bestraften damals den versammelten alemannischen Adel für den Bruch des Treueeides mit dem Tode. Unter den Ermordeten war mit großer Sicherheit auch der „Herr des Runden Bergs“. Seinen Wohnsitz auf dem Runden Berg zerstörten die Franken.

Um die Mitte des 9. Jahrhunderts, in karolingisch-merowingischer Zeit, entstand auf dem Runden Berg erneut ein wohlbefestigter Adelssitz mit Mauern, Türmen und Bastionen. Eine bedeutende, dem Namen nach allerdings ebenfalls historisch noch nicht bekannte Adelsfamilie hatte sich den Berg als Herrschaftssitz ausgesucht. Die Funde aus dieser Zeit sind von eminenter kunsthistorischer Bedeutung und zeigen, dass die neuen Herren reich und mächtig waren. Die Funde lassen den Schluss zu, dass hier ein mächtiges Grafengeschlecht seinen Sitz gehabt hat, das auf die Geschichte der Gegend, da des ganzen Landes Einfluss nahm.

Die frühmittelalterliche Höhenburg auf dem Runden Berg wurde aber nicht wie anderswo oft geschehen zur hochmittelalterlichen Adelsburg ausgebaut. Die hochmittelalterliche Nachfolge-Burg ist vielmehr ab der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts auf einem anderen Bergkegel zu suchen, der näher an den Verkehrsverbindungen durch das Ermstal liegt: auf dem Schlossberg über die Stadt – der Hohenurach.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Frühneuzeit), in der Residenzzeit Urachs baute sich ein vermögender Privatmann am Sporn des Runden Bergs in herrlicher Aussichtslage ein Jagdhaus. Es wurde abgebrochen, als nach 1535 der Hohenurach zur Landesfestung ausgebaut wurde. Damit endet auch die Besiedlungsgeschichte des Runden Bergs.

Quelle

Textauszug aus "Bad Urach Wanderbuch" von Walter Röhm, erschienen 1995 von der Arbeitsgemeinschaft Fremdenverkehr Bad Urach e.V.