Geschichte der Hanner Felsen und Rutschenfelsen

Die Felsen bieten wunderbare Ausblicke auf Bad Urach und das Ermstal. Hinter dem Namen des Rutschenfelsens steckt eine spannende Geschichte.

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Nach dem Dreißigjährigen Krieg fehlte es im bevölkerungsreichen aber waldarmen mittleren Neckarraum mit den herzoglichen Residenzen Ludwigsburg und Stuttgart an Brennholz. Der Mangel rührte in erster Linie daher, dass die Beifuhr des Holzes aus den Wäldern des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb mit Ochsengespannen zeitaufwendig und die Transport-Kapazität beschränkt war. 

Man begann deshalb, auf den für die Langholzflößerei zu „Floßstraßen“ ausgebauten Flussläufen der Enz, Nagold, Würm und Eyach auch Scheiterholz zu flößen. Auch in den Waldungen um Urach wurde begonnen, große Mengen Scheitholz zu schlagen. Um das schwierige Transportproblem zu lösen, wurde gleichzeitig beschlossen, die Erms flößbar zu machen. Dazu mussten größere Baumaßnahmen durchgeführt werden: Zum Schutze der Mühlen mussten besondere Floßgassen angelegt werden. Um die schwankende Wasserführung der Erms auszugleichen, wurde die Anlegung von Stau- und Schwallvorrichtungen notwendig. 

© Blackdotswhitespots, Foto: Susi Maier

Am 16.08.1660 war es dann soweit. Der Verwalter des herzoglichen Holzgartens in Berg vor den Toren der Landeshauptstadt konnte melden: das erste Holz aus den Uracher Waldungen wurde aus dem Neckar gefischt. Ab sofort wurde dann regelmäßig geflößt und zwar in den Monaten Januar bis März und, je nach Wasserstand, im Frühsommer. Bis 1739 wurden jährlich 4.000 Klafter (=13.352 Festmeter) Brennholz auf der Erms nach Stuttgart geschickt. Dann wurde, um die Wälder etwas zu schonen, der jährliche Einschlag auf 2.000 bis 2.500 Klafter reduziert. In den ersten Jahren wurde das Brennholz mit Gespannen bis zu einer Einwurfstatt in die Erms unterhalb der Stadt gefahren. Dies war mühsam und auch teuer. 1879/80 wurde deshalb auf der Hochfläche über den Rutschenfelsen der Rutschenhof zum Unterstellen der Gespanne und als Sammelplatz für das Holz erbaut. 

Gleichzeitig wurde am Tiergartenberg über der Stadt aus 212 Eichenstämmen in Tag- und Nachtarbeit eine Rutsche gezimmert, durch die der teure und mühsame Transport des Holzes von der Hochfläche ins Tal mittels Ochsengespannen überflüssig werden sollte. Die Einwurfstelle lag zwischen dem nördlichen und mittleren Hanner Felsen, das Ende der Rutsche unterhalb des Großen Schwanensees an der Erms, also am südlichen Ende der Stadt. Im April 1680 wurde die Rutsche in Betrieb genommen. Sie hielt jedoch der starken Beanspruchung nur kurze Zeit stand, dann stürzte sie teilweise ein und musste erneuert werden. Auch später blieb die hölzerne Konstruktion störungsanfällig. Sie wurde deshalb 1730 durch eine eiserne Röhre aus den herzoglichen Gießwerken Königsbronn ersetzt. Die Uracher Holzrutsche am Tiergartenberg war für die damalige Zeit eine Sehenswürdigkeit. Ob allerdings die Uracher über die Attraktion glücklich waren, sei dahingestellt. Die „Rutscherei“ ging nämlich gar nicht leise vor sich. Zeitgenossen berichten vielmehr von einem „ungeheuren Getöse“. So werden die Uracher wohl froh gewesen sein, als 1746 im Seeburger Tal eine weitere Rutsche erstellt wurde und das Brennholz vornehmlich dort geschlagen und geriest wurde. 

1821 wurde die Scheitholzflößerei auf der Erms eingestellt. Die beiden gusseisernen Rutschen wurden abgebaut und im Eisenwerk von Christophstal bei Freudenstadt verschrottet. Mit Einstellung der Scheitholzflößerei wurde auch der Rutschenhof entbehrlich und 1827 abgerissen. An die Scheitholzflößerei erinnern auf der Hochfläche noch der Gewinner-Name „Rutschen“ und im Bad Uracher Stadtgebiet die heut allerdings teils wasserlosen Floßgassen.

Quelle

Textauszug aus "Bad Urach Wanderbuch" von Walter Röhm, erschienen 1995 von der Arbeitsgemeinschaft Fremdenverkehr Bad Urach e.V.